Manuelle Therapie bei KISS
(Kopfgelenk induzierter Symmetrie Störung) und weiteren Haltungs- und Entwicklungsauffälligkeiten von Neugeborenen und Kleinkindern
KiSS-Syndrom ist die Abkürzung für Kopfgelenk-induzierte Symmetrie-Störung. Dabei handelt es sich genau genommen nicht um eine Krankheit, sondern um einen Symptomenkomplex. Unter KiSS-Syndrom ist eine Fehlstellung zu verstehen, die vom Übergangsbereich zwischen der Schädelbasis und den Wirbelgelenken im Bereich der oberen Halswirbelsäule ausgeht. Das KiSS-Syndrom führt zu asymmetrischen Haltung des Körpers, oft begleitet durch die Ausbildung einer Lieblingsseite und einseitiger Bewegungsminderung. Es können auch Überstreckung der Wirbelsäule, eine Gesichtsasymmetrie, bei der eine Gesichtshälfte kleiner als die andere ist, sowie ein asymmetrischer Einsatz der Arme und/oder Beine auftreten.
Mögliche Ursachen für die Entstehung des KiSS-Syndroms
Mögliche Ursachen für die Entstehung des KiSS-Syndroms sind vor allem durch Probleme während der Geburt bedingt, wenn das Köpfchen des Ungeborenen unter hohem Druck durch den engen Geburtskanal der Mutter gepresst wird oder es während der Geburt Drehbewegungen durchführt, die das Kopfgelenk stark belasten.
Risikofaktoren für ein KiSS-Syndrom sind eine Saugglocken- oder Zangengeburt, Notfall-Kaiserschnitte, Zwillingsgeburten, sehr schnelle Geburten und ein Geburtsgewicht von mehr als 4.000 Gramm. Infolge einer Steiß- oder Beckenendlage kann es bereits während der Schwangerschaft zu Störungen kommen.
Mögliche Symptome des KiSS-Syndrom beim Baby
Mögliche Symptome des KiSS-Syndrom beim Baby können eine deutliche Schiefhaltung des Kopfes – deshalb früher die Bezeichnung Schiefhals – und des Oberkörpers, sowie gegebenenfalls eine deutlich asymmetrische Schädelform mit abgeplattetem Hinterkopf aufweisen. Probleme im Bereich der Halswirbelsäule können sich aber auch durch eine Fehlhaltung oder mangelnde Halteaktivität des Kopfes als Schonhaltung für die Halswirbelsäule deutlich werden. KiSS-Syndrom-Patienten meiden typischerweise die Bauchlage und krabbeln ungern.
Als typische KiSS-Syndrom Symptome bei Säuglingen gelten:
- Eine asymmetrische Kopfhaltung und eine Schieflage im Bett
- Trinkprobleme mit häufigem Sabbern und Schluckschwierigkeiten
- Schlafstörungen, häufiges Aufwachen und Unruhe
- Berührungsempfindlichkeit insbesondere beim Hochheben (Säuglinge reagieren mit Schreien oder Weinen) oder Pullover/Mütze anziehen
- Kopfhalteschwäche und Kopfdrehschwäche
- Schreikinder, Dreimonatskoliken, Speien
- Verdauungsprobleme
- einseitige Stillprobleme
- Schädel-/Gesichtsasymmetrie mit einseitiger Minderentwicklung einer Gesichtshälfte
Diese Symptome treten nicht alle gleichzeitig auf und können teilweise auch die Folge anderer Ursachen sein. Das Überspringen des Krabbelstadiums kann beispielsweise auch bei gesunden Kindern auftreten.
KiSS-Syndrom: Symptome bei Schulkindern, Jugendlichen und Erwachsenen
Das KiSS-Syndrom kann eine mögliche Ursache für weitere Beschwerden bei Kindern und Jugendlichen verantwortlich sein:
- erschwerte motorische Entwicklung
- erhöhte Infektanfälligkeit
- Gedeihstörungen mit vermindertem Wachstum und ausbleibender Gewichtszunahme
- HNO-Probleme
- Zahn-und/oder Kieferfehlstellungen
- Fehlentwicklung in der Sprachlichen Entwicklung
Wird das KiSS-Syndrom im Säuglingsalter nicht behandelt,kann als Folgeerscheinung das sogenannte Kidd-Syndrom auf. Kidd-Syndrom bedeutet Kopfgelenk-induzierte Dyspraxie/Dysgnosie. Dyspraxie steht für die Unfähigkeit zum Ausführen erlernter Bewegungen trotz vorhandener Wahrnehmungs- und Bewegungsfähigkeit, Dysgnosie für eine gestörte Wahrnehmung. Bei Kindern im Schulalter verlagert sich die Symptomatik hin zu Lernschwierigkeiten (mitunter wird Rechenschwäche genannt), Konzentrationsschwierigkeiten, Wahrnehmungsstörungen, Hyperaktivität oder Aggressivität, Kopfschmerzen und Haltungsschwächen.
Ein unbehandeltes KiSS-Syndrom kann später beim Erwachsenen zu Halswirbelsäulenbeschwerden, chronischen Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfällen, Ohrgeräuschen,Schwindel, Bewegungs- und Gleichgewichtsstörungen führen.
Manuelle Therapie in der Schwangerschaft
Amerikanische Ärzte fanden in neuen Untersuchungen zudem heraus, dass Manuelle Therapie auch gut geeignet ist, um durch Schwangerschaft verursachte Beschwerden zu behandeln. „So kann werdenden Müttern eine bedenkliche Einnahme von Schmerzmitteln erspart werden", sagt Ute Repschläger, Vorsitzende des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten – IFK e.V.
„Schmerzen des Bewegungsapparats sind unter Schwangeren weit verbreitet. Etwa 20 % klagen über Schmerzen im Bereich des Beckengürtels, mehr als jede Zweite leidet unter unteren Rückenschmerzen. Für Schwangere ist es jedoch schwierig, ein Mittel gegen die Beschwerden zu finden. Aus Angst vor schädlichen Auswirkungen auf das Kindeswohl schrecken sie vor Medikamenten zurück. Dadurch sind sie dem Schmerz oft hilflos ausgesetzt, was zusätzlich zu Stress führen kann. „Da sich im zweiten Drittel einer Schwangerschaft der Körperschwerpunkt nach vorne verlagert, verstärkt sich die natürliche Wölbung der Lendenwirbelsäule, wodurch Rückenschmerzen und Schmerzen im Bereich des Beckengürtels entstehen", weiß Ute Repschläger.
Ursachen für die Beschwerden können z.?B. eine Blockierung des Iliosakralgelenks - der gelenkigen Verbindung zwischen Kreuzbein und Becken - oder der sogenannten Facettengelenke - die sich zwischen zwei Wirbelkörpern befinden - sein. Die Symptome können sich jedoch auch an anderer Stelle zeigen, z.?B. im Bereich des oberen Rückens, da dort die Gelenkstörung des Beckens und unteren Rückens kompensiert wird. „Durch eine Behandlung mit Manueller Therapie können diese Gelenkfunktionsstörungen häufig zeitnah und vor allem ohne Nebenwirkungen für das Kind behoben werden", so Ute Repschläger. Studien belegen zudem, dass eine Kombination aus Manueller Therapie und Übungen, die von der Schwangeren ausgeführt werden, eine besonders schnelle Schmerzlinderung und verbesserte Lebensqualität bewirken. Denn die Behandlung endet nicht in der Physiotherapiepraxis: Der Physiotherapeut gibt der Patientin auf deren Bedürfnisse abgestimmte Informationen, Übungen und Instruktionen für den Alltag, damit sie die Therapie eigenverantwortlich unterstützen und somit den langfristigen Therapieerfolg sichern kann.
Die Manuelle Therapie ist eine physiotherapeutische Therapieform, die die Untersuchung und Behandlung des Bewegungssystems einschließlich aller beteiligten Knochen, Muskeln, Bänder, Sehen und Nerven beinhaltet. Dieses Teilgebiet der manuellen Medizin basiert auf der Grundlage der Biomechanik und Reflexlehre. Somit wirkt sich die Behandlung nicht nur direkt auf das Bewegungssystem aus, sondern indirekt auch auf den Gesamtorganismus mit Hormonsystem, Stoffwechsel und Nervensystem. Der Therapeut erhebt zu Beginn der Behandlung grundsätzlich eine manualtherapeutische Diagnose. Im Rahmen der Untersuchung wird analysiert, welche Faktoren zu den Beschwerden führen oder diese beeinflussen. In der Behandlung, die ausschließlich von speziell ausgebildeten Therapeuten angeboten wird, kommen dann sowohl passive Techniken als auch aktive Übungen zum Einsatz. Der Physiotherapeut stimmt die erforderlichen Maßnahmen auf die medizinischen Erfordernisse des Patienten ab, da jede Struktur spezifische Techniken verlangt. So können z.?B. unbewegliche (hypomobile) Gelenke durch mobilisierende Techniken wie Traktion und Gleitmobilisation sowie instabile (hypermobile) Gelenke durch stabilisierende Maßnahmen und Übungen behandelt werden. (ifk Pressemitteilung vom 15.10.2013)